Seismo‐akustische Untersuchungen der NordStream Leckagen vom 26.09.2022
Hauskolloquium am Dienstag, den 26. September 2023 um 10°° Uhr im Großen Sitzungssaal des Hauses
Moderation: Lars Ceranna
Einleitung
Am 26.09.2022 wurden seismische Ereignisse in der Ostsee nahe der dänischen Insel Bornholm detektiert und lokalisiert, die zeitlich und räumlich mit Leckagen an den Gas-Pipelines NordStream-1 und -2 in Verbindung gebracht werden können. Ein Ereignis fand um 00:03 (UTC) mit einer Lokalmagnitude ML 2.6 ost-südöstlich von Bornholm statt und drei weitere Ereignisse etwa 17 Stunden später um 17:03 (UTC) mit ML etwa 3.0 nordöstlich von Bornholm, die in kurzer Abfolge von nur wenigen Sekunden hintereinander stattfanden.
Quelle: BGR
Ferner wurden an Infraschall-Stationen in Deutschland Signale dieser Ereignisse registriert sowie kontinuierliche Signale im Nachgang, die mit dem Entlass von Gas aus den Pipelines in Verbindung gebracht werden können.
Nicolai Gestermann et al.: Seismologische Untersuchungen der Explosionsereignisse
Für das südliche Gebiet (Site1) kann ein seismisches Ereignis (EV1) identifiziert und lokalisiert werden. Das berechnete Epizentrum liegt mit einer Entfernung von weniger als 2 km im Rahmen der Lokalisierungsgenauigkeit am Ort des Gasaustritts an der NordStream-2A (Nord und Süd). Für das nördliche Gebiet (Site2) können insgesamt drei seismische Ereignisse identifiziert werden (EV2-(A,B,C)). Die zeitlichen Abstände der Ereignisse untereinander betragen 8.6 bzw. 9.1 s. Die Bestimmung der Epizentren ist aufgrund der sich überlagernden seismischen Wellenzüge allein anhand ihrer Einsatzzeiten nur bedingt möglich. Dennoch lassen sich mit hoher Sicherheit die Quellorte den Lokationen der Leckagen mithilfe von Ergebnissen aus der Relativlokalisierung und der Stärkebestimmung zuordnen: EV2-A der Leckage an NordStream-1A, EV2-B und EV2-C Leckagen an NordStream-1B. Anhand von Vergleichsereignissen in der Region kann der Explosionscharakter aller vier Ereignisse nachgewiesen werden.
Andres Steinberg et al.: Numerische Modellierung der Explosionsquellen
Basierend auf numerischen Modellierungen konnte für eine explosionsartige Quelle im Wasser und für die vorherrschende Geologie im Untersuchungsgebiet eine Amplituden-Energie-Relation angepasst werden, die eine verlässliche Stärkebestimmung und Energieabschätzung erlaubt: Für die vier Ereignisse liegen die Momenten-Magnitude MW zwischen 2.3 und 2.7, was einem TNT-Äquivalent von 38 bzw. 150 kg Ladungsstärke entspricht. Zudem kann die Detektionsschwelle anhand der nächtlichen Unruhebedingungen an den betrachteten seismologischen Stationen mit etwa MW 1.6 abgeschätzt werden; tagsüber erhöht sich der Wert auf etwa MW 1.8 bis 1.9.
Quelle: BGR
Die Modellierungen zeigen ferner, dass die gemessenen seismischen Signale hinreichend durch einen instantanen Gasentlass am Meeresboden ähnlich einer Airgun beschrieben werden können. Zugehörige synthetische Seismogramme für eine solche Quelle weisen große Übereinstimmungen mit den gemessenen Signalen auf.
Patrick Hupe et al.: Untersuchung der Infraschall‐Signale der Explosionsereignisse
Im Zusammenhang mit den seismischen Ereignissen in der Ostsee wurde auch Infraschall an zwei Stationen der BGR registriert. Insbesondere nach der Ereignisfolge von 17:03 (UTC) wurden deutliche Signaturen detektiert, deren Charakteristik auf ein explosives Ereignis mit nachfolgendem Gasaustritt an der Oberfläche hindeutet. Daher wird auf Basis der Infraschall-Analysen die Ereignisfolge von 17:03 (UTC) als stärker gegenüber dem Einzelereignis um 00:03 (UTC) eingeschätzt. Unabhängig von den transienten Signalen, die mit den explosiven Ereignissen in Verbindung stehen, wurden sowohl an IKUDE bei Kühlungsborn als auch an I26DE im Bayerischen Wald weitere – deutlich schwächere – kontinuierliche Signale aus den entsprechenden Richtungen beobachtet. Diese spiegeln den fortwährenden Gasaustritt an der Meeresoberfläche wider.
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