Erdfälle in Deutschland (EFiD) - ein Kooperationsprojekt zwischen dem Niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Auftrag des Direktorenkreises der Staatlichen Geologischen Dienste (SGD) in Deutschland
Projektanfang: 01.06.2021
Projektende: 28.02.2023
Projektstand: 01.03.2023
Projektveranlassung
Gemäß der Ad-Hoc-Arbeitsgruppe Geologie (2016) der SGD sollen geogene Naturgefahren wie Subrosion/Verkarstung, Massenbewegungen und Hochwässer der frühgeschichtlichen Vergangenheit sowie setzungs- und hebungsgefährdeter Baugrund in Deutschland nach einheitlichem Mindeststandard erfasst, bewertet und in Gefahrenhinweiskarten räumlich dargestellt werden.
Mit der fristgerechten Beendigung des Projekts „Massenbewegungen in Deutschland“ (MBiD) unter Vorlage des Abschlussberichts in 12/2020 wird dem konsekutiven Ansatz Rechnung getragen und das Thema der Erdfälle bearbeitet.
Projekteinordnung
Erdfälle sind engräumig begrenzte Bruchstrukturen an der Erdoberfläche, die infolge komplexer oberflächlicher, oberflächennaher oder subterraner Lösungsprozesse (Subrosion) in karbonatischen, sulfatischen und/oder chloridischen Gesteinen auf natürliche Weise entstehen. In Deutschland sind diese Gesteine an verschiedene lithostratigraphische Einheiten gebunden. Sie zeichnen sich durch eine ungleiche räumliche Verbreitung und durch signifikante Mächtigkeitsunterschiede aus. Aus der Exposition und Anfälligkeit von Infrastruktur und Gebäuden gegenüber derartigen Bruchverformungen resultieren speziell in Gebieten mit hoher Erdfalldichte materielle und immaterielle Risikopotenziale (Schäden, Verluste). Im Hinblick auf eine Abschätzung aktueller bzw. zur Minderung zukünftiger Risikopotenziale sind Untersuchungen zur flächenhaften, regionalen Auftretenswahrscheinlichkeit (Empfindlichkeit) von Erdfällen eine wesentliche Grundlage.
Projektziel
Ziel des Projekts war die Verbesserung der praktischen Beratungskompetenz des LBEG und der BGR zur lokalen und regionalen Analyse des Auftretens und der Charakterisierung von Erdfall-Ereignissen. Dies wurde durch eine pilothafte Testung und Bewertung von geometrisch-strukturellen und physikalisch-geometrischen Methoden sowie Methoden zur regionalen Modellierung der Empfindlichkeit am Beispiel von drei Testgebieten in Niedersachsen umgesetzt.
Ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse
Das Projekt Erdfälle in Deutschland, Teil 1 (EFiD_I) wurde als ein Bund-Länder-Projekt unter Beteiligung des Niedersächsischen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vom 01. Juni 2021 bis 28. Februar 2023 durchgeführt.
Die ausgewählten Testgebiete Osterode, Seesen und Elm weisen einen hohen Verkarstungsgrad und eine für die Analyse quantitativ hinreichende Anzahl an Erdfällen auf. Sie lassen sich durch einen bekannten geologischen Aufbau mit wenigen komplexen tektonischen Strukturen sowie einer nachvollziehbaren Subrosionshistorie charakterisieren. Zudem war für alle Testgebiete die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Punktdaten, z. B. ein Erdfall-Kataster und Bohrungen sowie Flächendaten, z. B. geologische Karten unterschiedlichen Maßstabs sowie 3D-Untergrundinformationen, gegeben.
Informationsebenen zur Parametergewinnung | Maßstabsbezug |
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Tieferer Untergrund Norddeutsches Becken 3D für Niedersachsen und Bremen | 1 : 300 000 |
Digitale Geländemodelle (DGM 1, 5, 10) | 1 : 10 000 – 1 : 200 000 |
Geologische Karten (Grund- und Übersichtskarten) | 1 : 50 000 – 1 : 250 000 |
Digitales Landschaftsmodell (Basis-DLM) | 1 : 25 000 |
Ingenieurgeologische Karten | 1 : 50 000 |
Hydrogeologische Karten (Grund- und Übersichtskarten) | 1 : 50 000 – 1 : 250.000 |
Grundwasserbeschaffenheit von Niedersachsen (Messpunkte) | 1 : 300 000 |
Bohrpunktkarte Deutschland mit Bohrungsdatenbank |
Unter Nutzung der verfügbaren Datensätze sowie daraus abgeleiteter Parameterproxys wurden für die drei Testgebiete unterschiedliche Analysemethoden angewandt und in sechs Fallstudien geprüft. Die Ergebnisse wurden hinsichtlich des praktischen Nutzwerts diskutiert und beurteilt.
Testgebiet | Ziel- und Fragestellung |
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Seesen | Anwendung Punktdatenanalyse: Generierung und Auswertung geometrischer Kennwerte von Erdfall-Ereignissen |
Osterode, Seesen, Elm | Prüfung der Methode der empirischen Auftretenswahrscheinlichkeit zur Festlegung von Primärdurchmessern in Erdfallgebieten Nutzung des Hierarchischen Clusterns mit metrischen Kennwerten von Erdfall-Ereignissen zur Prüfung einer Hypothese |
Osterode | Prüfung einer geomorphometrischen Analyse zur Unterstützung der Erdfall-Identifizierung und semiautomatischen Kartierung |
Elm | Beitrag zur fernerkundlich-basierten Kartierung von Erdfällen |
Osterode, Seesen, Elm | Testung der Methode zur lokalen physikalisch-geometrischen Erdfall-Modellierung für das Erdfall-Ereignis Osterode-Katzenstein (05.08.2008); das Erdfall-Ereignis Stadtgebiet Seesen (10.06.2022) und die Erdfälle im östlichen Elm |
Osterode, Seesen, Elm | Anwendung von Verfahren zur regionalen Modellierung der Erdfall-Empfindlichkeit: Statistische Modellierung und Maschinelles Lernen; Anwendung des Analytischen Hierarchieprozesses zur Bewertung von Einflussfaktoren zur Genese von Erdfällen |
Das angewandte Methodenspektrum zur Analyse von Erdfall-Ereignissen und zur Erdfall-Verbreitung bzw. -Zonierung umfasste dabei a) erweiterte Analysen auf der Grundlage von Punktdaten, b) ein physikalisch-geometrisches Verfahren zur Bestimmung der Hohlraumgröße und -tiefe von lokal unterschiedlich dimensionierten Erdfall-Ereignissen sowie c) statistische und heuristische Verfahren zur Abschätzung der regionalen Erdfall-Empfindlichkeit. Die eingesetzten Methoden/Analysen sind in Softwarelösungen verfügbar.
Inventarbasierte Analysen mit dem Ziel der Erweiterung, Optimierung und Exploration im Erdfallkataster
- Nachbarschaftsverhältnis (Distanz, Orientierung, Isolation)
- Erdfall-Dichte
- Empirische Auftretenswahrscheinlichkeit von Erdfällen eines Durchmessers
- Hierarchische Clusteranalyse
- Geomorphometrische Vorauswahl zur Identifizierung und Kartierung von Erdfällen
Lokale physikalisch-geometrische Modellierung zur Berechnung der Größe eines Hohlraums als Funktion von dessen Tiefenlage im löslichen Gestein
- Adaption eines Verfahrens zur Berechnung flacher Tagesbrüche; Berechnung von Breite und Höhe eines Hohlraums in Abhängigkeit von Erdfalldurchmesser und der Tiefenlage des Hohlraums im Subrosionshorizont.
Regionale Modellierung Regionalisierung und Zonierung der Erdfall-Empfindlichkeit als Grundlage der Erstellung von Gefahrenhinweiskarten
- Analytischer Hierarchieprozess
- Methode der Gewichteten Evidenzen
- Logistische Regression
- Künstliches Neuronales Netz
a) Basierend auf Verfahren zur erweiterten Analyse von Punktdaten-Mengen eines Erdfall-Katasters konnte gezeigt werden, dass die Analyse von Lagebeziehungen zwischen Erdfällen und deren zeitliche Entstehung wertvolle Hinweise auf potenzielle räumliche Ausdehnungen der Subrosionsfront oder Aktivitätszonen liefern. Isoliert auftretende Erdfälle können dabei auf lokale Subrosionsgebiete hindeuten, die lokale Unvollständigkeit eines Erdfall-Katasters aufdecken und Gebiete eingrenzen, in denen eine Suche nach weiteren Erdfällen intensiviert werden sollte. Durch Clusteranalyse können Erdfälle in Subgruppen untergliedert werden, die auf mutmaßlich ähnliche Entstehungsbedingungen zurückgeführt werden können. Auch die statistische Auswertung der Erdfall-Durchmesser stellt eine sinnvolle Ergänzung dar, um neben der Bestimmung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Erdfalls spezifischer Größe auch Rückschlüsse auf die wirkenden geologischen und tektonischen Faktoren zu liefern.
Für Gebiete mit geringem Grad der Ereigniserfassung liefert die teilautomatisierte geomorphometrisch gestützte Analyse des DGM eine systematische und praktikable Vorgehensweise für die Erweiterung eines Erdfall-Katasters. Die Analyse unterstützt die Vorauswahl und Eingrenzung solcher Gebiete, in denen Senken, die mit Erdfällen in Verbindung gebracht werden können, erkennbar werden. In Kombination mit einem DLM ist eine verbesserte Abgrenzung von natürlichen Erdfällen und anthropogen bedingten Senken möglich. Die Anwendung genannter Methoden führen somit zu einer zweckmäßigen Erweiterung und Optimierung eines existierenden digitalen Erdfall-Katasters.
b) Das physikalisch-geometrische Verfahren zur lokalen Abschätzung der Hohlraumgröße und -tiefe für bekannte Erdfall-Einzelereignisse basiert auf einem ursprünglich für flache Tagesbrüche mit bekannten Hohlraumdimensionen angewendeten Verfahren, welches einen Absenktrichter an der Oberfläche auf Verbruch von Gestein und Boden in tiefergelegene Hohlräume zurückführt. Dieses Verfahren wurde auf die natürliche, subrosiv bedingte Genese von Erdfällen adaptiert, um die unbekannte Tiefe und Größe des Hohlraumes zu modellieren bzw. rückzurechnen. Die Parametrisierung des Modells beruhte dabei auf vorhandenen Informationen aus Bohrungen (z. B. Teufen), lithostratigraphischen Profilen und felsmechanischen Gesteinskennwerten.
Die Anwendung des Verfahrens zeigte, dass das Modell die Vielzahl unbekannter Einflussfaktoren nicht vollumfänglich abbilden kann und somit für die Analyse der Tiefenlage sowie der Dimensionen eines Hohlraumes im Untergrund nur eingeschränkt nutzbar ist. So ergab die exemplarische Anwendung des Modells auf Erdfälle im Stadtgebiet Seesen und im östlichen Elm, dass sich die beobachteten Erdfall-Trichter nur reproduzieren ließen, wenn die Zugfestigkeiten der Gesteine, die die subrosionsempfindlichen Formationen überlagern, reduziert wurden. Eine derartige Parameteranpassung kann im Einklang mit regionalen geologischen Besonderheiten stehen, was aber bislang nicht beispielhaft verifiziert werden konnte. Das Verfahren kann somit nur als ein zusätzliches Werkzeug gesehen werden, das in Kombination mit anderen Methoden sowohl zum Verständnis der Erdfall-Genese beitragen als auch bei planerischen Fragen zur Sicherung von Erdfällen die lokale Expertise ergänzend unterstützen kann.
c) Eine regionale Abschätzung und Zonierung der Erdfall-Empfindlichkeit als Grundlage der Erstellung von Suszeptibilitätskarten (Gefahrenhinweiskarten) wurde mit Hilfe datengetriebener, statistischer Methoden (Methode der Gewichteten Evidenzen und Methoden des Maschinellen Lernens) durchgeführt. Außerdem wurde der Analytische Hierarchieprozess (AHP) als eine alternative heuristische Bewertungsmethode für Erdfall-Ereignisse bei den Untersuchungen hinzugezogen. Unter Nutzung der geologischen Kartenwerke Geologische Karte von Niedersachsen (GK50) und der Geologischen Übersichtskarte von Deutschland (GÜK250) als Proxys für die Unterteilung nach dem lithostratigraphischen Aufbau (GK50) und den petrographischen Eigenschaften (GÜK250) der relevanten Schichten haben sich die angewandten Methoden als eine praktikable und fachlich belastbare Option zur Abschätzung der Erdfall-Empfindlichkeit und der darauf basierenden Generierung von Gefahrenhinweiskarten für ausgewählte Teilregionen herausgestellt.
Die Tiefenlage der subrosionsanfälligen Schichtpakete, abgeleitet aus der 3D-Modellierung, ist der kausale und am stärksten erklärende Parameter in der räumlichen statistischen Modellierung der Erdfall-Empfindlichkeit. Andere wesentliche Parameter, wie z. B. die strukturgeologischen oder die hydrogeologischen und hydrochemischen Verhältnisse, konnten nur unzureichend berücksichtigt werden, da diese Faktoren durch die vorhandene Datenverfügbarkeit bzw. durch Proxys nur unvollständig abgebildet werden konnten.
Die Regionalisierung und Zonierung der Erdfall-Empfindlichkeit ist im Übersichtsmaßstab mit geologischen Parametern durchführbar. Generell gilt, dass aufgrund des hohen Grades der Generalisierung und der begrenzten Datenauflösung für die Untersuchungsgebiete die Maßstabsgültigkeit der jeweiligen Eingangsparameter beachtet werden muss. Die Beurteilung der Erdfall-Empfindlichkeit in einem kleineren Teilausschnitt eines bereits zonierten Gebiets verlangt eine Neuzonierung der Gewichte bzw. eine angepasste Parametrisierung.
Der EFiD-Abschlussbericht steht hier als download zur Verfügung.
Referenzen
- Balzer, D., Fuchs, M., Gunkel, C., Hahne, K., Kuhn, D., Nix, T., Reinartz, H., Schüßler, N. & Torizin, J. (2023): Erdfälle in Deutschland, Teil I – Beiträge zur inventarbasierten Analyse, zur lokalen physikalisch-geometrischen Modellierung und zur regionalen Modellierung der Empfindlichkeit. - Abschlussbericht zu einem Kooperationsprojekt zwischen dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) des Bundeslands Niedersachsen und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Auftrag des Direktoren-Kreises der Staatlichen Geologischen Dienste in Deutschland; 210 S., 80 Abb., 86 Tab.; Hannover. doi.org/10.25928/pk39-9s78
- Balzer, D., Dommaschk, P., Ehret, D., Fuchs, M., Glaser, S., Henscheid, S., Kuhn, D., Strauß, R., Torizin, J., Wiedenmann, J., 2020. Massenbewegungen in Deutschland (MBiD) – Beiträge zur Modellierung der Hangrutschungsempfindlichkeit. Ein Kooperationsprojekt zwischen den Staatlichen Geologischen Diensten der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Aftrag des Direktorenkreises der Staatlichen Geologischen Dienste in Deutschland, Augsburg, Freiberg, Freiburg, Hannover und Krefeld. doi.org/10.25928/mbid-ab20
- Torizin, J., Schüßler, N., and Fuchs, M.: Landslide Susceptibility Assessment Tools v1.0.0b – Project Manager Suite: a new modular toolkit for landslide susceptibility assessment, Geosci. Model Dev., 15, 2791–2812, doi.org/10.5194/gmd-15-2791-2022, 2022.