III/07: Ein 400 Millionen Jahre alter Regenschauer
Das Sammlungsobjekt des Quartals
Quelle: BGR; Foto: Wolfgang Hake
Quelle: BGR; Foto: Wolfgang Hake
Quelle: BGR; Foto: Wolfgang Hake
Fundort: | Okstindane, Ostküste des Woodfjords (Andrée Land), NW-Spitzbergen |
Gestein: | Tonsteine aus der Wood Bay Formation (Andrée Land Group) |
Alter: | Unterdevon (Pragium – Emsium) |
Wenn man auf Expeditionen durch die einsame Wildnis Spitzbergens wandert, fällt es auch einem Geologen schwer, sich vorzustellen, dass es in der erdgeschichtlichen Vergangenheit in diesem von Schnee, Eis und Kälte geprägten Land einmal riesige Wälder, tropische Meere und ausgedehnte Wüsten gegeben hat. Die vorgestellten Handstücke stammen aus dem Devon Spitzbergens, das damals, vor etwa 400 Millionen Jahren, im Zentrum des großen Old Red-Kontinents am Äquator gelegen hat. Nach der kaledonischen Orogenese, während der Skandinavien mit Nordamerika kollidierte, wurde am NW-Rand des heutigen Barents Schelfs ein großes Sedimentbecken angelegt, das den Abtragungsschutt des kaledonischen Gebirges aufnahm: kumulativ haben sich in diesem Andrée Land Becken fast 10 Kilometer mächtige rote und graugrüne Konglomerate, Sandsteine und Tonsteine in der typischen Old Red-Fazies abgelagert. Bis auf einige wenige marine Ingressionen im Mitteldevon wurde die Sedimentation von terrestrischen Bedingungen dominiert.
In den unteren und älteren Partien ist das Old Red in Spitzbergen sehr grobklastisch und weist auf kurze Transportwege und eine hügelige oder bergige Topographie hin: mächtige, grobe fluviatile und Hangschuttsedimente füllten kleinräumige Einzelbecken, deren Entstehung noch von tektonischen Bewegungen gesteuert wurde. Im mittleren Unterdevon änderten sich die Verhältnisse, und Sandsteine und Tonsteine wurden in einem weiträumigen (mindestens 80 mal 160 km), tektonisch ruhigen Becken abgelagert. Die Landschaft zu dieser Zeit bestand aus einer riesigen, flachen Ebene, die von großen, langsam fließenden Flusssystemen durchflossen wurde. Daneben entstanden ausgedehnte, flache Seen, die immer wieder austrockneten und Sabkha-Sedimenten hinterließen. Die Lebewelt wurde von Süßwasserostracoden in den Seen und Panzerfischen in den Flussläufen bestimmt. Pflanzenreste deuten daraufhin, dass Sandbänke und Ufersäume bewachsen waren, während die trockenen Gebiete zwischen den Gewässern nach wie vor öde und kahl waren – das Leben hatte eben erst begonnen, das Festland zu besiedeln.
Die drei Handstücke zeigen den immer wieder abgelaufenen Zyklus von Überflutung und Austrocknung: die Wellenrippeln belegen die Existenz von fließendem Wasser, eventuell einen flachen Fluss. Nach dem Trockenfallen und Austrocknen des Sediments entstanden in den Tonsteinen durch den Wasserverlust Trockenrisse. Das besondere Handstück ist aber das mit den kleinen Kratern: bevor dieser Ton richtig ausgetrocknet war, haben Regentropfen diese Eindrücke im noch feuchten Ton hinterlassen. Dieses Handstück bildet also die Spuren ab, die ein kleiner Regenschauer vor 400 Millionen Jahren in der spitzbergischen Wüste hinterlassen hat.
Übrigens: Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.
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