I/2024 Suevit, Wennebergit - die Spuren eines Impakts im Nördlinger Ries
Sammlungen sind auch ein Fundus für Wissenschaftsgeschichte. Sie beherbergen in der Regel Objekte, deren Etiketten den jeweiligen Stand des Wissens zum Zeitpunkt der Probenahme bzw. der Neu-Bewertung belegen.
Ein Beispiel dafür sind die insgesamt 183 Suevite aus dem Nördlinger Ries, die sich in den Sammlungen der BGR in Berlin befinden.
Das älteste Belegstück stammt vom Heerhof bei Nördlingen, von KOCH im Jahr 1872 als "Rhyolithtuff" benannt. WAHNSCHAFFE (1903) bezeichnete seine Belegprobe vom Kirchberg bei Schmähingen als "Fladenlava aus Liparittuff, Wurfschlacke". Die Probe von GAGEL (1926) vom Pflaumloch am Goldberg bei Nördlingen trägt die Bezeichnung "Bombe". 1928 erkundeten Ahrens und Bentz die Gesteine dieser Region systematisch und hinterlegten 178 Belegproben von 25 Fundstellen in den Sammlungen der Preußischen Geologischen Landesanstalt (PGLA). Auch sie tragen Bezeichnungen, die auf eine vulkanische Genese zurückzuführen sind, wie Tuff, Bomben, Basalt, Auswürflinge, gefritteter Ton, kontaktmetamorph überprägter Kalkstein, zersetzter Granit. Ein Ergebnis ihrer Untersuchungen war jedoch schon der Hinweis auf sehr ungewöhnlich hohe Temperaturen, die bei der Genese der Gesteine eine Rolle gespielt haben.
Auch bei TRÖGER (1934) gehört der Suevit zu den Eruptivgesteinen. Zwei der von Tröger aus dem Nördlinger Ries beschriebenen Gesteine sind in unserer Sammlung: Nr. 992 Suevit und Nr. 104: Wennebergit = Alkaligranit – heute auch Suevit.
Der Name Suevit = "Schwabenstein" vom lateinischen Suevia für Schwaben abgeleitet, wurde 1920 durch SAUER für die Gesteine im Nördlinger Ries eingeführt – noch in Unkenntnis ihrer wahren Genese. Erst in den 1960er Jahren - nachdem die Minerale Stishovit und Coesit gefunden wurden, die nur bei extrem hohen Drücken und Temperaturen entstehen - konnte die Entstehung des Rieskraters und damit auch die des Suevit durch einen Impakt erklärt und bewiesen werden.
Die vielen verschiedenen petrographischen Ansprachen in der Vergangenheit zeichnen ein Bild von der Viefältigkeit des Gesteins. Typischerweise besteht der Suevit vom Nördlinger Ries aus graubraunem, mäßig verfestigten, zersetzten anstehenden Grundgestein mit großen schwarzen Schlieren ("Flädle" – schwäbisch auch Pfannkuchenstreifen) aus glasartiger Schmelze mit hellen, elfenbeinfarbenen Einsprenglingen. Nach STÖFFLER (2017) ist er als polymikte Impaktschmelzbrekzie definiert.
Heute ist bekannt, dass vor ca. 14,6 Millionen Jahren ein etwa 1 km großer Asteroid bei Nördlingen einschlug. Bei seinem Einschlag und seiner explosionsartigen Verdampfung entsteht ein Druck von mehreren Millionen bar und Temperaturen von mehr als 20.000 ºC. Das anstehende Gestein wurde bis zu einer Tiefe von 800 m durchstoßen und sowohl in zerkleinerter als auch geschmolzener Form ausgeworfen. Das Rückfallsediment füllt zum großen Teil den Einschlagkrater. In der Umgebung des Kraters finden sich bis zu 25 m mächtige Ablagerungen des Auswurf-Suevits, der aus der Glutwolke auf den Trümmermassen (Bunte Brekzie) des ballistischen Auswurfs abgelagert wurde.
Mit einem Durchmesser von 20-26 km zählt der Rieskrater zu den am besten erhaltenen und gut zugänglichen Impaktkratern der Erde. Der Name Suevit wird heute auch für Gesteine anderer Impaktkrater verwendet. Es befinden sich auch 2 Platten Suevit in der Naturwerkstein-Sammlung der BGR in Berlin.
Der Suevit ist zwar kein dekoratives Baugestein, er lässt sich jedoch gut bearbeiten und wurde deshalb schon von den Römern als Baustein genutzt. Er ist vor allem regional als Baustein verwendet worden aber auch überregional, insbesondere am Anfang des 20. Jahrhunderts. In vielen Großstädten Deutschlands finden sich repräsentative Bauten mit Fassaden aus Suevit. Beispiele sind das Haupttelegraphenamt in Berlin (1916) – heute Hotel, und der Messepalast „Specks Hof“ in Leipzig (1909).
Der Suevit ist das Gestein des Jahres 2024.
Literatur:
- Ahrens, W. & Bentz, A. (1929): Der "Traß" des Nördlinger Rieses im Vergleich mit den übrigen deutschen Traßvorkommen.- Z. Prakt. Geologie: mit besonderer Berücksichtigung der Lagerstättenkunde; 37, S. 185-189.
- Stöffler et al. (2017): Shock metamorphism of planetary silicate rocks and sediment-Proposal for an updated classification system.- Meteoritics & Planetary Science 53, Nr 1, 5–49 (2018). doi: 10.1111/maps.12912
- Tröger, W.E. (1934): „Spezielle Petrographie der Eruptivgesteine“.- Stuttgart.
Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.
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